Sonntag, 8. Mai 2011

Alte Liebe wird entrostet



Während meiner Studienzeit war ich auf der Suche nach einer Handtasche. Ich hatte relativ klare Vorstellungen wie diese Tasche aussehen sollte:
aus Stoff, aber robust und mit einer gewissen Steifigkeit;
verspielt, aber nicht zu überladen und billig kitschig;
mit Lederhenkeln in einer Länge, dass man die Tasche sowohl in der Hand, als auch über der Schulter tragen könnte.
Natürlich habe ich keine solche Tasche gefunden, zumindest keine, die für mich bezahlbar gewesen wäre. Also beschloss ich mir selbst eine zu nähen. Ich experimentierte zunächst mit Jeans- und Cordstoffen, die ich mit Vlieseline verstärkte. Merkte aber bald, dass diese Stoffe leicht schmutzen, einmal im Biergarten und die Taschen waren ein Fall für die Waschmaschine. Außerdem waren sie nach meinen Vorstellungen noch zu wenig steif. Also überlegte ich weiter und probierte es mit Möbelbezugsstoffen aus. Diese waren deutlich fleckresistenter, aber auch sehr dick und schwer zu verarbeiten. Auch mit den Lederhenkeln hatte meine Nähmaschine so ihre Probleme. Ich habe die Maschine ganz schön gequält und das Ergebnis war für mich absolut unzufriendenstellend: ausgelassene Stiche, Transportprobleme, ständiger Nadelbruch... .
Zu diesem Zeitpunkt war ich aber schon im Wahn, besessen davon es fertig zu bringen eine Tasche nach meinen Vorstellungen hinzubekommen. Ich ging in Leder- und Polsterwerkstätten, informierte mich dort über Leder- und Polsterstoffverarbeitung und schaute mir die dort benutzten Nähmaschinen an. Ich begab mich auf die Suche nach einer bezahlbaren gebrauchten Industrie-/ Ledersteppmaschine, denn mit meiner Haushaltsnähmaschine würde ich die Taschen nicht hinbekommen. Nach einigem Suchen und Telefonieren fand ich eine günstige Nähmaschine. Was für ein Unterschied! Leder war auf einmal sauber nähbar, über vierlagigen Möbelbezugsstoff nähen- auch kein Problem.
Gleichzeitig suchte ich mir Materialien zusammen. Möbelbezugsstoffe zu kaufen konnte ich mir nicht leisten, aber ich bekam Musterbücher und kleinere Reststücke von einem Polsterer geschenkt. Leder ersteigerte ich bei ebay. Ich nähte eine Handtasche nach der anderen. Inzwischen hatte ich es auch geschafft, durch Schabrackeneinlage die gewünschte Steifigkeit bei den Taschen zu erreichen. Irgendwann merkte ich, dass ich in Taschen ersticke und sämtliche Familienmitglieder und Freundinnen waren auch schon mit Taschen ausstaffiert. Nachdem im Bekanntenkreis Anfragen kamen, ob man denn Handtaschen bei mir kaufen könne, fühlte ich mich sehr geschmeichelt und begann meine Taschen auch zu verkaufen. Zunächst im Bekanntenkreis, dann auch über Geschäfte und Kunsthandwerkermärkte. Es kostete mich einiges an Überwindung, Leute anzusprechen, ob sie meine Taschen verkaufen würden, und mich selbst hinter einen Tisch zu stellen und meine Taschen feil zu bieten. 
Ich verkaufte ganz gut. Ich verdiente zwar nicht viel an meinen Handtaschen, aber doch genug um mir Nähmaschinen und Materialien kaufen zu können. Es machte mir Spaß, denn Verkäufe und Ausstellungen waren für mich immer auch ein Anreiz, neues zu entwickeln: neue Taschenformen, neue Techniken. Gleichzeitig gefiel mir der Kontakt zu meinen Kundinnen. Und besonders nette und interessante Bekanntschaften konnte ich durch den Kontakt mit den anderen Ausstellern auf den Kunsthandwerkermärkten machen. 


Durch die Geburt meiner beiden Kinder änderten sich meine Lebensumstände. Einfach mal so für ein Wochenende auf einen Markt zu verschwinden war nicht mehr so einfach. 
Lautes Industrienähmaschinengebrumm wenn die Kleinen endlich mal schlafen, erwies als keine so gute Idee. 
Ich machte also weniger Taschen, ging auf weniger Märkte und verkaufte weniger. Damit sank meine Motivation und ich überlegte, es vielleicht erst mal mit dem Taschenmachen sein zu lassen. Machte mir nun doch das Nähen von Kinderkleidern und Kleidung für mich selbst sehr viel mehr Spaß. 
Gleichzeitig beobachtete ich auch einen regelrechten Stofftaschenboom auf den Märkten. War ich am Anfang eigentlich die einzige, die Handtaschen aus Stoff verkaufte, finden sich nun, je nach Größe des Marktes fünf und mehr Stände, an denen man Stofftaschen, in der Regel aus Baumwollstoffen, kaufen kann. Was soll ich denn da noch mit meinen Taschen?


Anfang Juli findet nun wieder ein Kunsthandwerkermarkt statt. Einer, der mir immer gut gefallen hat, vom Ambiente, von den Ausstellern, vom Publikum. Auf der anderen Seite steht die hohe Standgebühr und die mögliche Enttäuschung über ein „verlorenes Wochenende“. Und, ich müsste natürlich Taschen machen.
Nach einigem hin und her habe ich mich entschieden: einmal noch. Nächstes Jahr kann ich vielleicht durch berufliche Veränderungen sowieso nicht mehr mitmachen. Ich probiere es also noch mal aus. Aber richtig, keine ollen Kamellen, nur neue Taschen möchte ich mitbringen.
Ihr werdet daher bis Juli hier auch einiges an Taschen zu sehen bekommen.
Hier ist (nach dieser langen, langen Geschichte) schon mal der Anfang:





4 Kommentare:

  1. Da wünsche ich dir ganz ganz viel Erfolg. Deine beiden gezeigten Modelle sehen jedenfalls sehr vielversprechend aus und heben sich von anderen Taschen ab.
    Besonders das zweite Modell gefällt mir sehr gut.
    Bin gespannt was noch so kommt!
    LG Rita

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  2. Ja, ich finde auch, dass deine Stofftaschen absolut nicht so aussehen, wie das, was man meistens auf Märkten sieht - und was oft schlecht verarbeitet ist. Du hast dich ja mit Profi-Ausstattung richtig in die Materie reingekniet, ich bin sicher, dass man das deinen Taschen ansieht. (Ok, darauf achtet nicht jeder - meine Schreibtischnachbarin hatte sich hier auf einem Markt ein Kleid gekauft, dass sie mir stolz gezeigt hatte, weil ich ja auch nähe - solche Absteppungen hätten niemals mein Nähzimmer verlassen - bin ich damit überkritisch oder haben manche andere einfach keinen Sinn für handwerkliche Qualität?) Also ich wünsche dir viel Erfolg! Wenn das ein Markt ist, den du schon früher besonders mochtest, dann sind die Voraussetzungen ja schonmal gut.

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  3. Verkaufst du die grüne Tasche eventuell auch schon vor dem Markt? Wenn sie bezahlbar ist,würde ich sie nehmen...
    LG
    Sandkoernchen

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  4. Ich finde es ganz lieb von euch, dass ihr mich motiviert.
    @Sandkörnchen, ich habe dir eine Nachricht zukommen lassen. Falls das nicht geklappt hat, hier meine Mail: info@eben-julia.de

    Viele Grüße
    Julia

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